Novemberwald – Gegenlicht

Der Weg führt direkt am Waldrand fast genau geradeaus auf die tief stehende Sonne zu. Gehe ich ein bisschen weiter links auf dem Weg, werde ich von der Sonne geblendet. Halte ich mich direkt am Waldrand auf, so wird der grelle Schein durch die Baumwipfel abgemildert.

Trotzdem die Sonne tief steht, ist sie noch stark – und das im November. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen so sonnigen November erlebt zu haben. Da genieße ich jeden Sonnenstrahl – auch wenn ich immer wieder geblendet werde.

Es ist, als ob man die Sonne in sich speichern könnte für die dunklen Monate, die auf uns zukommen.

Novemberwald – Aufgeräumt

Kein Zweiglein liegt auf dem braun-goldenen Laubteppich. Es sieht aus, als ob jemand mit einem riesigen Besen oder Staubsauger durch den Wald gegangen wäre.

Ist etwas zu sehr aufgeräumt, kann das unpersönlich oder ungemütlich wirken. Diese Stelle jedoch lädt ein zu verweilen – zu verweilen und die Ordnung in ihrer Schönheit auf sich wirken zu lassen.

Vielleicht herrscht in der Seele, in den Gedanken gerade Chaos. Dann sucht man am besten eine solche Stelle auf – und die Gedanken beruhigen sich. Je länger man sich Zeit  nimmt, desto ruhiger wird man.

Novemberwald – Laubweg

Zwischen den zum Appell bereitstehenden Buchen verläuft ein Weg. Keine noch so kleine Krümmung oder gar Kurve ist sichtbar.

Dennoch lädt der Weg ein, ihn zu betreten. Der Laubteppich verwischt den Eindruck des Eintönigen – und verwandelt den Weg in einen kuschelig wirkenden Teppich, oder noch besser einen einladenden Läufer, gleich einem roten Teppich, durch einen lange Korridor.

Die Natur zeigt uns, wie wir ganz einfach die Atmosphäre eines Raumes ändern können…

Novemberwald – Strammstehen

Ein Spaziergang Ende November. Das Laub ist von den Bäumen abgefallen.

Ordentlich stehen die Buchen auf diesem Areal. Es ist leicht abschüssig. Auf den ersten Blick sieht eine Buche wie die andere aus. Die Bäume stehen fast militärisch geordnet wie beim morgendlichen Appell der Kompanie.

Unnatürlich geordnet – und doch individuell. Betrachtet man die einzelnen Bäume genauer, sieht man die Einzigartigkeit jedes Baumes.

Wie sehen wir unsere Mitmenschen? Gibt es nur noch „die Guten“ und „die Schlechten“? Sehen wir die einzigartige Schönheit jedes einzelnen Menschen?

Mit Kinderaugen – Riesenspiel

Mein Blick schweift über die Wiese. Wie Bauklötze eines Riesen liegen die Häuser vor mir.

Der Riese Uppsala hat seine Bauklötze verteilt. Sie liegen nun einfach so herum. Es wird bald Abend. Eigentlich soll Uppsala sein Spielzeug aufräumen.

Mama Riese ruft: „Es ist Zeit zu Aufräumen, Uppsala!“ „Och nö, ich habe keine Lust.“ „Aber es ist Abend. wir haben ausgemacht, dass vor dem Abendessen alles ordentlich ist.“

Uppsala antwortet: „Du hast das ausgemacht – ich nicht!“

Tja, wer hat nun den längeren Atem? Wird Uppsala aufräumen?

Mit Kinderaugen – Bauwagen

Ein Bauwagen steht am Waldweg. Er ist eigentlich für Waldarbeiter vorgesehen, scheint jedoch seit längerer Zeit nicht genutzt worden zu sein.

Jetzt lebt darin Familie Maus. Unter der an der Wand angebrachten Bank ist das Schlafzimmer. Papa Maus hat Moos und trockenes Laub gebracht. Mama Maus hat daraus ein wunderbares, weiches Bett für die ganze Familie gemacht: für die Eltern Maus und die zwölf Kinder Maus.

In der anderen Ecke befindet sich die Speisekammer. Dort ist so einiges gelagert, das Familie Maus nach und nach verspeisen wird.

Im Bauwagen ist es trocken und recht warm. Tagsüber heizt sich die Behausung von der Sonne auf, so dass Familie Maus nicht frieren muss.

Ob bald noch weitere Kinder dazu kommen?

Mit Kinderaugen – Holz

In der letzten Zeit wurde im Wald ausgeholzt. Ein großer Stapel an Schnittgut liegt neben dem Weg.

Auch hier wohnt sicherlich jemand.

Das ist der einsame Wanderer Heini. Er sucht in dem Holzhaufen Unterschlupf. Wie lange er dort bleiben kann? Das weiß er nicht. Das Holz kann jederzeit abgeholt werden.

So richtet Heini sich nicht sehr aufwändig ein. Ein einfaches Lager zum Schlafen, etwas Holz als Sitz, eine Holzscheibe als Tisch.

Sehr luxuriös ist diese Behausung nicht – aber sie gibt Heini Schutz vor Regen und Wind.

Mit Kinderaugen – Wurzeln

Heute gehe ich einmal mit Kinderaugen durch den Wald. Es ist die fast tägliche Runde, die ich mit meiner alten Hündin gehe.

Schon kurz nach dem Parkplatz komme ich an diese Stelle. Die mit Moos bewachsenen dicken Wurzeln dieses Baumes ziehen meinen Blick an.

Wer da wohl wohnen mag?

Es ist die Familie Wurzel. Mama Wurzel steht gerade am Herd und kocht das Abendessen. Hungrig warten die sieben Kinder Wurzel auf ihre Mahlzeit.

Papa Wurzel hat noch zu tun. Er überprüft, ob die Wasserversorgung überall intakt ist. Wenn die Wurzeln kein Wasser aufnehmen und transportieren können, stirbt der Baum – und damit verlöre Familie Wurzel ihr Zuhause.

Schließlich sitzt die gesamte Familie Wurzel an ihrem großen Esstisch vor gefüllten Tellern…

Herbst – Abend

Mit Blick auf den Turm kehre ich zum Ausgangspunkt zurück.

Jeder hier weiß, was gemeint ist, wenn man von „dem Turm“ spricht. Es ist der Thyssen-Krupp-Testturm.

Wie ein Fremdkörper steht er, fast von überall sichtbar, in der Natur. Er hat etwas Erhabenes, stellt eine Verbindung von der Erde zum Himmel her.

An diesem Novemberabend wird der Turm noch von einer Seite von der Sonne beschienen. Er sieht fast unwirklich aus.

Licht und Dunkelheit liegen sehr dicht beieinander…

Herbst – Spiegel

Der Linsenbergweiher liegt ruhig vor mir. Die Wasseroberfläche ist absolut glatt, wie ein Spiegel.

Fast lässt sich nicht unterscheiden, was Realität und was Spiegelung ist. Die Spiegelung im Wasser verdoppelt die Herrlichkeit der bunten Herbstnatur.

Wie geht es uns, wenn wir in den Spiegel schauen – oder gar den Spiegel vorgehalten bekommen? Das ist uns nicht immer angenehm. So können wir uns nicht verstecken. Wir müssen uns uns selbst stellen.

Die Natur ist immer schön. Sie muss sich nicht verstecken. Auch wir sind immer auf eine Weise schön – wir dürfen uns so annehmen, wie wir sind.