Erstarrt

Ich sitze auf einer Bank am Linsenbergweiher. Er ist zugefroren. Erstarrt. So wie mein aktuelles Leben.

Aber bedeutet Erstarrung wirklich Stillstand? Nichts geht mehr?

Es bedeutet Stille. Der gefrorene See gibt keinen Laut von sich. Was sich wohl unter der dicken Eisschicht abspielen mag? Die Fische, die dort leben, sind im Moment abgeschirmt vom Äußeren. Die Sonnenstrahlen erhellen sicherlich das Wasser, wenn sie durch das Eis scheinen. Aus Tierfilmen weiß man, dass das Leben unter dem Eis ziemlich lebendig und bewegt ist.

Ich fühle mich gerade wie die Fische unter der Eisschicht. Abgeschirmt. Nicht sichtbar. Trotzdem suche ich die wärmenden und Leben bringenden Sonnenstrahlen.

Im Winter vor drei Jahren durfte ich die gefrierende Ostsee erleben. Die Wellen türmten immer höhere Eisberge am Strand auf. Dahinter war das Wasser halbgefroren. Es raschelte. Die Wellen brachen sich weit draußen. Die Flachwasserzone fror nach und nach ganz zu. Auch der Bodden auf der östlichen Seite der Insel Hiddensee war ganz zugefroren. Es herrschte Eisfahrplan, weil nur eine Linie durch den Eisbrecher freigehalten wurde. Der Bodden war ganz still.

Als alles wieder taute, kam Leben in die Sache. Ich hatte schon Berichte über Knacken und Krachen der tauenden See und des Boddens gehört. Aber es war ganz anders als erwartet. Ich hörte ein Schmatzen. Ganz zart, als ob ein kleines Kind an seinem Schnuller nuckelte.

Noch lange hat man etwas von dem Eis. Als immer kleiner werdende Schollen schwimmt es auf dem Wasser. Aber die Wasseroberfläche ist wieder offen. Es kann wieder Kontakt zwischen der Unterwasserwelt und der Welt über Wasser entstehen.

Eines Tages wird auch meine Eisschicht wieder aufbrechen. Dann könnte ihr wieder mit mir rechnen…

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