Schutz

Ich bin für einige Tage auf der Höri, dieser Halbinsel im Bodensee kurz vor der Schweiz. Die Gegend um den Bodensee ist an sich schon ganz besonders. Sie unterscheidet sich sehr von unserer doch nur eine Autostunde entfernt liegenden Region. Das Wetter am Bodensee ist oft so unterschiedlich von unserem heimatlichen Wetter, dass man das Gefühl hat, der Bodensee liegt in einem anderen Land. Es herrscht ein spezielles Kleinklima. Aber auf der Höri tickt das Leben noch etwas anderes, als an anderen Stellen des Bodenseeufers. Eine Art Inselgefühl entsteht hier, obwohl die Höri keine echte Insel ist.

Ende Dezember ist das Wetter jedoch gerade auch nicht besser oder schlechter als bei uns zu Hause. Vielleicht ist der Nebel am See noch etwas dicker. Aber grau ist es in diesen Tagen überall.

Ich habe mit einigen Dingen zu kämpfen, die mich mehr Kraft kosten, als ich dachte oder gerne hätte. Was mache ich also? Richtig, ich gehe spazieren. Nina freut sich natürlich und ist munter wie immer. Mir fällt das Gehen nicht so leicht. Erst nach einiger Zeit verfalle ich in meinen gewohnten Rhythmus, was mir auch sofort Energie gibt. Aber ich möchte nicht an den See gehen. Dort würde ich mich schutzlos fühlen. Es genügte ein Windhauch oder eine Welle, und ich wäre weg…

Natürlich würde ich nicht wirklich weggeweht oder –geschwemmt. Aber ich fühle mich dünnhäutig und nicht widerstandsfähig. So bleibe ich auf den Wegen oberhalb des Sees. Es ist ja auch nicht so, dass man einfach am See entlang gehen könnte. Nein, man muss immer wieder Umwege gehen, um dann wieder kurz an das Ufer zu kommen. Hunde sind am See sowieso nicht erwünscht. Also bleibe ich einfach weg.

In Hemmenhofen gehe ich bergauf, um zu einem kleinen Pfad zu kommen. Diese Strecke bin ich im Sommer schon gegangen. Vielleicht gibt es dort einen Platz, wo ich ein wenig sitzen kann.

Es gibt einen Platz – er ist perfekt. Unter einem Baum steht eine Bank, von den Ästen und Zweigchen des Baumes wie mit einem Dach beschirmt. Auf beiden Seiten der Bank und gegenüber dichtes Brombeerengestrüpp. Besser kann man nicht beschützt sein. Ich lasse mich nieder und lasse meine Gedanken schweifen.

Immer wieder kommen Leute vorbei. Es ist inzwischen Spazierzeit, und der Weg scheint ein beliebter Rundgang zu sein. Aber ich fühle mich nicht angegriffen, die Menschen sind keine Eindringlinge in meinen Schutzraum. Freundlich kann ich sie alle grüßen, alle grüßen sehr nett zurück.

Eigentlich wollte ich mich vor der Welt verstecken. Aber so gut beschützt kann ich der Welt begegnen. Ich sitze abseits, bin dennoch im Kontakt mit dem Leben, mit der Welt. Wie schön, ein solches Plätzchen gefunden zu haben…

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