Schöne Begegnung

Wieder einmal gehe ich die Runde über das Dissenhorn, den Hausberg des kleinen Örtchens Göllsdorf. In unterschiedlichen Variationen gehe ich diese Runde. Am schönsten ist für mich jedoch die Möglichkeit, bei der ich zuerst über die Treppen an der steilen Seite des Dissenhorns emporsteige. Anstrengende zehn bis zwölf Minuten, aber es lohnt sich. Durchwärmt komme ich oben an. Die ersten Male waren ziemlich anstrengend. Mit jedem weiteren Aufstieg ging es leichter. Nun muss ich zwar immer noch verschnaufen, wenn ich oben bin, aber meistens fühlt es sich nicht mehr so hart an. Heute ging es besonders leicht.

Kurz sehe ich mich am Aussichtspunkt um, gehe dann aber schnell weiter zur Kapelle. Dies ist ein besonderer Ort. Immer wieder setze ich mich in die Kapelle, direkt vor das Gitter, hinter dem die Maria steht. Dort kann ich meditieren, ohne von vorbeikommenden Spaziergängern gestört zu werden. Es kommen zwar unter der Woche vormittags fast nie Leute vorbei, aber es ist angenehmer, im Schutz der Kapelle nicht gleich für jeden sichtbar zu sein.

Heute denke ich an meinen gerade verstorbenen früheren Schwiegervater. Ihm widme ich die Meditation.

 

Erfüllt und frisch setze ich meinen Weg Richtung Feckenhausen fort. Es geht noch zweimal bergauf, dann komme ich an den Grillplatz. Spontan beschließe ich, gleich abzubiegen und den kleinen Pfad durch den Wald hinunter ins Jungbrunnental abzusteigen.

Es geht zunächst entlang einer Wiese. Von hinten kommt ein Auto. Ich habe mit Nina geübt, dass wir auf die Seite gehen und stehen bleiben. So auch heute. An mir fährt ein kleiner Suzuki Geländewagen vorbei. Ein Mann nickt mir freundlich zu. Er sieht sympathisch aus.

Am Ende des Feldweges angekommen, sehe ich, dass der Eingang zum Pfad mit einer Metallstange abgesperrt ist. Der Mann steigt gerade aus seinem Suzuki aus. „Hallo! Ist der Weg gesperrt, oder kann man zu Fuß hinunter gehen?“ Der Mann kommt auf mich zu. „Ich möchte Sie bitten, den Weg nicht zu gehen.“ Er erklärt mir, dass sie als Jäger die Verantwortung für den Abschuss der Wildsauen haben. Ich kenne das Problem natürlich und sichere zu, dass ich natürlich einen anderen Weg gehen kann. Es entsteht ein sehr nettes Gespräch. Nach einigen Minuten verabschieden wir uns und ich bedanke mich für die schöne Begegnung. Der Jäger erwidert, sichtlich erstaunt, den Dank und unsere Wege trennen sich.

 

Hier hat sich wieder einmal gezeigt, dass es genauso aus dem Wald schallt, wie man hineinruft. So sagt man doch immer. Oder dass der eigene Umgang direkt gespiegelt wird. Der Jäger hätte mich auch unfreundlich zurechtweisen können, dass der Weg ja nicht umsonst abgesperrt ist. Was ein kleines Lächeln und eine freundliche Ansprache doch bewirken!

Aber wie oft erleben wir doch, dass wir von oben herab behandelt werden. So mancher fühlt sich über andere Menschen erhaben und behandelt sie entsprechend. Doch was gibt uns das Recht, uns besser als andere zu fühlen? Wir sind alle Menschen, Geschöpfe Gottes, wenn man so sagen will. Jeder hat seinen Platz im Leben, seine Aufgaben, seine Verantwortung, seine Berechtigung ein Mitglied der Gesellschaft zu sein. Ist eine Putzfrau in der Schule weniger wert als ein Lehrer? Ist der Bäcker weniger wert als ein Arzt? Sind anders sprechende Menschen weniger wert als unsere Landsleute?

 

Hier entstehen große gesellschaftliche Themen. Wo hört die Gleichberechtigung, die Gleichstellung auf? Ich bin immer für einen Umgang mit anderen in Augenhöhe. Aber wie sieht es beispielsweise bei der Arbeit im Gefängnis aus? Kann ein Vollzugsbeamter die Gefangenen auf Augenhöhe behandeln? Mit dem Respekt, den man jedem Lebewesen entgegenbringen sollte? Haben die Gefangenen diesen Respekt verspielt, indem sie etwas Falsches getan haben? Ich denke schon. Aber habe ich das Recht, so zu denken?

 

Ohne Hierarchien wäre unsere Gesellschaft ungeordnet. Aber in der Hierarchie höher zu stehen darf meiner Meinung nach nicht bedeuten, die Untergebenen als weniger wert zu betrachten. Jeder ist ein Teil der Gesellschaft, hat einen Platz und erfüllt eine für die Allgemeinheit wichtige Aufgabe – die Putzfrau, der Bäcker, der Ausländer genauso wie der Lehrer, Arzt oder Einheimische.

Ein großes Thema, das sich ausgiebig diskutieren lässt…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert