Licht

Wann nehmen wir Licht am besten wahr? Natürlich, wenn es Schatten gibt oder in der Dunkelheit.

Licht und Dunkel oder Licht und Schatten sind zwei Polaritäten. Polaritäten verdeutlichen uns Unterschiede. Sie lassen beide „Enden“ so stark unterschiedlich erscheinen, dass diese in ihrer Wesenheit und aller Deutlichkeit wahrgenommen werden können.

Mit Polaritäten wird in der Waldorfpädagogik gearbeitet. Sehr eindrücklich erinnere ich mich an die erste Geografie-Epoche in der vierten Klasse. Ich wählte die Ostsee und die Alpen als Polaritäten in Deutschland aus. Intensiv konnten die Kinder erleben, dass dies zwei völlig gegensätzliche Landschaften sind.

Beim Aquarellmalen wurde der Unterschied am deutlichsten spür- und erlebbar. Wir malten zunächst ein Bild von der Insel Hiddensee in der Ostsee. Dabei verwendeten wir wässrige Grün- und Blautöne. Alles spielte sich in horizontalen Linien ab. Die Stimmung in der Klasse war zauberhaft. Alle Kinder waren versunken in das Farbenbad und arbeiteten selbständig, fast ohne zu reden.

Ganz anders, als wir die Alpen malten. Hier setzten wir die Farben trockener ein. Einige Stellen wurden ganz weiß gelassen. Erstmals setzten wir schwarze Linien in ein Bild. Alles spielte sich in der Vertikalen ab. Die Kinder arbeiteten auch hier sehr konzentriert. Jedoch stellten sie viele Fragen, waren sich nicht sicher, ob alles richtig war. Viel mehr dachten die Kinder über das nach, was sie taten. Es lag eine konzentrierte Spannung in der Luft.

Nach dem Hiddenseebild waren die Kinder damals ganz ruhig und träumerisch. Das anschließende Vesper verlief in fast schläfriger Atmosphäre. Hingegen nach dem Alpenbild entlud sich die starke Konzentration in eine fröhliche Stimmung. Die Lautstärke im Klassenzimmer war so, dass ich die Kinder damals früher in die Pause schickte, weil sie Bewegung brauchten.

So viel zu Polaritäten. Nur wenn wir beide kennen – Licht und Dunkelheit – können wir etwas daran erleben.

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